Exkursionsfahrt nach Weimar Stufe 12

Vom achten bis zum zehnten Juli erkundeten wir, der Geschichtskurs 12 des Wiedtal-Gymnasiums Neustadt (Wied), die geschichtsträchtige Stadt Weimar. Der Fokus lag auf Weimar unter dem NS-Regime, wodurch wir unser bereits in der Schule erlangtes Wissen vertiefen konnten und darüber hinaus durch die unmittelbare Nähe zu den ehemaligen Täterorten wirklich begriffen haben, dass all die schrecklichen Verbrechen der Nationalsozialisten tatsächlich Realität waren.

Auf der Hinfahrt hielten wir bei der Gedenkstätte „Point Alpha“, die an den Alltag erinnert, der auf DDR-Seite im Grenzgebiet, aber auch gegenüber im US-Camp herrschte.                 Wir erkundeten das Museum, das auf der ehemaligen Grenze zwischen der BRD und der DDR liegt, das Grenzgebiet mit Grenzzaunanlagen und den ehemaligen US-Beobachtungsposten mit einem Guide, der in der DDR geboren ist und somit äußerst authentisch über das Vergangene berichten konnte.

Zum einen erfuhren wir, welch ein komplexes System hinter der Grenze steckte und welch ein enormer Aufwand zur Aufrechterhaltung dessen betrieben wurde. Zum anderen erkannten wir, wie sehr besonders die anliegenden Gemeinden darunter leiden mussten. Denn all diese Maßnahmen, eine Volksgemeinschaft zum Leben in einem System zu zwingen, dass sie nicht frei für sich gewählt hat, brachten ein Leben in Angst mit sich. Besonders traf uns, dass ein Mensch besondere Papiere benötigt hat, um seine Verwandtschaft im Grenzgebiet zu besuchen und nur in einem kleinen Zeitfenster bei ihnen sein durfte. Denn so wurde das, was eigentlich eine wohltuende private Selbstverständlichkeit ist, zu einer öffentlichen Angelegenheit, die sich wie etwas Verbotenes angefühlt haben musste.

Noch am selben Abend, nachdem das Gepäck im Hostel abgeladen wurde, hatten wir unseren ersten Kontakt mit der Stadt Weimar:

In Kleingruppen hielten wir kurze Vorträge, um einen vielseitigen Überblick zu erhalten.        So verweilten wir bei verschiedenen Stolpersteinen und erfuhren, dass sie deshalb auf dem Boden platziert werden, damit man sich beim Lesen verbeugt und den Menschen somit ein Stück ihrer Würde zurückgibt.     Selbstverständlich verweilten wir auch vor dem Bauhaus Museum, dessen Kunst überraschenderweise mehr in unseren heutigen Alltag integriert ist als erwartet.
Die Besichtigung des Theater- und Marktplatzes war eine außergewöhnliche Erfahrung, da wir plötzlich am Ort des Geschehens dessen standen, was wir bisher nur aus verstaubten Büchern kannten und wir so zum ersten Mal die Tragweite, beispielsweise der Verabschiedung der Weimarer Verfassung, erkannten. Auch interessant war, dass Goethe politisch aktiver war als angenommen und sogar Schillers „Maria Stuart“ nicht aufgeführt werden konnte, ohne dass es von einem politischen Aufruhr unterbrochen wurde.

Der nächste Tag begann mit einer intensiven Führung durch Weimar mit dem Thema „Weimar unter dem NS-Regime“.

Unser Guide war ein ausgesprochen motivierter und engagierter Historiker, der großes Interesse daran hatte, uns ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie stark die Nationalsozialisten die Stadt durch ihre Baupläne verändert haben und wie weit die nationalsozialistische Ideologie unter der Weimarer Bevölkerung verbreitet war. Uns wurde die harte Wahrheit aufgezeigt: Viele Menschen haben diese Ideologie tatsächlich vertreten und bewusst gelebt. Bemerkenswert war, dass unser Guide auch zur Diskussion darüber anregte, inwiefern die Erinnerung an die Täterorte wachgehalten werden sollte.

Den Nachmittag verbrachten wir mit demselben Guide in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, wo er uns erklärte, was die Strategie der Nationalsozialisten war, um ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit umzusetzen. Dabei befassten wir uns zum Beispiel mit der Taktik, die genutzt wurde, um genügend junge Männer in die SS-Abteilung des KZ zu locken. Besonders erschreckend war zu erfahren, dass die Nationalsozialisten einen Zoo errichtet haben, der sich nur wenige Meter neben dem Zaun zu den Häftlingen befand. Denn das bedeutet, dass alle Menschen, die die Tiere gestreichelt haben - egal ob Kleinkinder oder Greise - gesehen haben mussten, wie die Häftlinge nur noch dahinvegetierten und gefoltert wurden. Diese Konfrontation mit blanker Grausamkeit war schwer zu ertragen, weshalb anschließend ein großer Gesprächsbedarf bestand und wir Schüler und Schülerinnen noch bis zum späten Abend unsere Eindrücke austauschten.

Am nächsten Morgen besichtigten wir das Museum für Zwangsarbeit, welches sich passenderweise in dem Gebäude befindet, das der Gauleiter und Nationalsozialist Fritz Sauckel (Generalbevollmächtigter für den „Arbeitseinsatz) einst als seinen persönlichen Dienstsitz hatte errichten lassen.

Die Ausstellung beeindruckte uns vor allem durch originale persönliche Berichte von Zwangsarbeiter:innen in Papierform, aber auch als Audiobeiträge.
Wir erfuhren darüber hinaus, dass nach der Befreiung durch die Alliierten die Zwangsarbeit in vielen Ländern nicht als Verbrechen anerkannt wurde und Überlebende als Verräter abgestempelt wurden, da sie angeblich freiwillig für den Feind gearbeitet hätten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir nach diesen drei Tagen deutlich sensibler im Umgang mit dem Thema Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten geworden sind.

Dadurch haben wir begriffen, dass es wichtig ist, besonders über diesen Teil unserer Geschichte aufgeklärt zu sein. Natürlich ist dies keine leichte Kost, doch gerade in der heutigen Zeit, in der Rassismus leider immer noch ein reales Phänomen ist und Politiker die Massenmorde der Nationalsozialisten kleinreden, ist es wichtiger denn je, sich der ganzen Tragweite der Gräueltaten des NS-Regimes bewusst zu werden und nicht wegzuschauen. Dadurch, dass wir zu Beginn unserer Exkursion auch die Schattenseiten des Kommunismus kennengelernt haben, begegneten wir den negativen Auswirkungen sowohl des rechten als auch des linken Extremismus. Somit wurde uns ein vielseitiger Blick auf die vergangene Geschichte vermittelt.

Julia Bodnar